Vielleicht ist die Welt besser, als es den Anschein hat
In diesem Impuls geht es um Positivität. Oder genauer: um die Frage, wie wir die Welt gerade wahrnehmen.
Vielleicht geht es dir ähnlich wie mir: Wenn ich die Zeitung aufschlage, Social Media öffne oder Nachrichten schaue, habe ich oft das Gefühl, dass es immer lauter und immer schlimmer wird. Konflikte, Gewalt, Krisen – ein ständiger Strom an Meldungen, die beunruhigend sind.
Und dann stelle ich mir die Frage: Spiegelt das wirklich die Realität unserer Welt wider?
Es gibt einen Satz, der mir in einer Meditationsausbildung begegnet ist und der mir immer wieder in den Kopf kommt:
„Ein fallender Baum macht viel mehr Krach als ein ganzer wachsender Wald.“
Vieles, was wir über alle Kanäle mitbekommen, ist nach diesem Bild der Krach von fallenden Bäumen. Katastrophen, Zusammenbrüche, Konflikte – sie sind laut, dramatisch und ziehen unsere Aufmerksamkeit sofort auf sich.
Was wir nicht oder kaum wahrnehmen, sind die wachsenden Wälder:
Nachbarschaftsinitiativen, Menschen, die über ideologische oder religiöse Grenzen hinweg zusammenarbeiten, kleine und große Verbesserungen, die das Leben in vielen Teilen der Welt Schritt für Schritt stabiler machen.
Diese Entwicklungen sind leise. Sie erzeugen keine Schlagzeilen. Aber sie existieren.
Warum unser Gehirn Bedrohliches leichter verarbeitet
Neurobiologisch lässt sich gut erklären, warum wir so viel stärker auf negative Nachrichten reagieren.
Das Gehirn ist darauf ausgelegt, Gefahren zu erkennen und zu priorisieren. Die Amygdala – unser Alarmsystem – reagiert blitzschnell auf alles, was bedrohlich wirken könnte. Positive Entwicklungen hingegen aktivieren diese Systeme nicht. Sie bleiben im Hintergrund, weil sie aus biologischer Sicht keine unmittelbare Handlung erfordern.
Das bedeutet: Unser Gehirn erzeugt von sich aus ein verzerrtes Bild der Welt. Nicht weil die Welt tatsächlich so düster ist, sondern weil Bedrohliches neurobiologisch mit höherer Priorität verarbeitet wird als Positives.
Dazu kommt: Nachrichtenmedien verstärken diesen Effekt – allerdings nicht aus grundsätzlich böser Absicht, sondern weil sie auf genau das reagieren, was unsere Aufmerksamkeit anzieht.
Dramatisches wird geklickt, geteilt, kommentiert. Positive Entwicklungen bleiben oft unbeachtet, weil sie neurobiologisch weniger aktivieren.
So entsteht ein Kreislauf: Das Gehirn sucht nach Bedrohlichem, die Medien liefern es, und beide verstärken sich gegenseitig.
Zwei Perspektiven, die eine andere Sichtweise anbieten
Es gibt zwei Bücher, die mich in den letzten Jahren inspiriert haben und die ich dir gerne ans Herz legen möchte.
Hans Rosling: Factfulness
Rosling zeigt anhand globaler Daten, dass viele Entwicklungen langfristig stabiler und besser geworden sind, als unser Bauchgefühl uns glauben lässt. Weniger extreme Armut, bessere Gesundheitsversorgung, mehr Bildung – vieles hat sich verbessert, auch wenn es nicht so wirkt.
Rutger Bregman: Im Grunde gut
Bregman beschreibt, dass Menschen kooperativer und hilfsbereiter handeln, als unsere schnelle Intuition – und viele Nachrichtenmeldungen – uns vermuten lassen. Er zeigt, dass unser Menschenbild oft dunkler ist als die Realität.
Ich sehe beide Bücher als Impulse, nicht als absolute Aussagen. Aber sie bieten eine Perspektive, mit der wir unsere Wahrnehmung hinterfragen können.
Realität entsteht im Kopf.
Unsere Wahrnehmung ist immer verzerrt – durch die Art, wie unser Gehirn Informationen filtert und verarbeitet. Aus Resilienz-Sicht ist die Frage nicht, ob wir die Welt positiv oder negativ sehen, sondern: Wo liegen wir in einem Bereich, der für unsere mentale Gesundheit förderlich ist?
Es geht nicht darum, eine rosarote Brille aufzusetzen oder Probleme auszublenden.
Aber es lohnt sich zu prüfen: Ist mein Weltbild gerade so verzerrt, dass es mich belastet? Und gibt es eine Perspektive, die realistisch bleibt – und gleichzeitig Raum für mehr Positives und Zuversicht lässt?
Ich möchte auf keinen Fall die realen Herausforderungen unserer Zeit kleinreden. Es gibt sie – Konflikte, Ungerechtigkeit, Leid.
Aber es tut vielleicht gut zu wissen, dass nicht alles immer dunkler wird.
Dass unser Gehirn von Natur aus dazu neigt, das Bedrohliche größer zu machen, als es ist.
Und dass es viele wachsende Wälder gibt, die wir nur deshalb nicht sehen, weil sie leise wachsen.
Falls du tiefer einsteigen möchtest:
📖 Hans Rosling: Factfulness – Wie wir lernen, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist ( Link zu Amazon)
📖 Rutger Bregman: Im Grunde gut – Eine neue Geschichte der Menschheit ( Link zu Amazon)
[ 😉 Das sind übrigens keine Werbelinks und ich bekomme keine Provision dafür. Es sind reine Buchempfehlungen und du kannst sie natürlich beim Händler deiner Wahl anschauen und bestellen.]
Marion Wandke
Seit über 15 Jahren beschäftige ich mich mit der Frage, wie Menschen in komplexen Lebensphasen innerlich klar und handlungsfähig bleiben können. Mich interessieren besonders die Wechselwirkungen zwischen Denken, Fühlen und Körperwahrnehmung – dort, wo Selbstregulation gefordert ist.
Ich arbeite heute als Resilienz-Coachin mit Fokus auf humanistischer Psychologie und Psychotherapie, Neurowissenschaften und Embodiment. Mein Schwerpunkt liegt auf Selbstführung und Selbstregulation als Schlüsselkompetenz. Ich bin überzeugt, dass echte innere Stärke aus Klarheit, Werteorientierung und Selbstführung entsteht.
