Dieser Text stammt aus meinem Newsletter, in dem ich regelmäßig über Resilienz, innere Stärke und Persönlichkeitsentwicklung schreibe. Manche dieser Texte sind so zeitlos, dass ich sie hier im Blog veröffentliche – für alle, die sich intensiver mit diesen Themen auseinandersetzen möchten.
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Sorgen und Gedankenkarussell stoppen: Neurobiologisch fundierte Wege aus dem Grübeln
Was genau passiert eigentlich im Gehirn, wenn wir uns Sorgen machen?
Dass Sorgen unangenehm sind, wissen wir alle aus eigener Erfahrung. Doch vielleicht fragst du dich manchmal, warum dein Gehirn überhaupt immer wieder zu diesen quälenden Gedanken zurückkehrt – auch wenn du das eigentlich gar nicht möchtest?
Die Antwort darauf ist zugleich simpel und faszinierend komplex:
1. Dein Gehirn und sein eingebautes Warnsystem: Die Amygdala
Die Amygdala ist eine kleine, mandelförmige Struktur tief im limbischen System deines Gehirns. Du kannst sie dir vorstellen wie einen sehr sensiblen Rauchmelder: Sie scannt permanent die Umgebung – reale Ereignisse ebenso wie Gedanken – auf potenzielle Bedrohungen.
Sobald sie etwas entdeckt, das sie für gefährlich hält (wie z. B. den Gedanken „Was wäre, wenn ich meinen Job verliere?“), löst sie Alarm aus.
Dieser Alarm aktiviert sofort dein Stresssystem: Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol werden ausgeschüttet und sorgen für innere Unruhe, Anspannung und erhöhte Wachsamkeit. Genau deshalb fühlen sich Sorgen oft auch körperlich unangenehm an.
2. Warum Sorgen zu einem Gedankenkarussell werden: Das Default-Mode-Netzwerk
Wenn du dich sorgst, bist du oft nicht aktiv und lösungsorientiert beschäftigt. Sorgen entstehen vielmehr in Phasen, in denen dein Gehirn in eine Art Ruhezustand verfällt – beispielsweise, wenn du eigentlich entspannen möchtest oder nachts wach liegst.
In diesen Phasen aktiviert sich das sogenannte Default-Mode-Netzwerk (DMN). Es sorgt dafür, dass deine Gedanken um Vergangenheit oder Zukunft kreisen. Leider konzentriert sich dieses Netzwerk besonders stark auf negative und belastende Inhalte – und genau deshalb werden Sorgen oft zu endlosen Grübelschleifen.
3. Warum Sorgen zur Gewohnheit werden können: Die Hebb’sche Lernregel
Jetzt kommt der entscheidende neurobiologische Punkt: Dein Gehirn arbeitet nach einer klaren Logik – der Hebb’schen Lernregel. Diese lautet:
„Neuronen, die gemeinsam feuern, verdrahten sich miteinander.“
👉 Konkret bedeutet das:
Wenn du bestimmte Gedanken (wie Sorgen) häufig denkst, nutzt dein Gehirn immer dieselben neuronalen Verbindungen. Je öfter du diese Verbindungen aktivierst, desto stärker und schneller werden sie.
Man kann sich das wie Wege im Wald vorstellen: Je häufiger du einen bestimmten Pfad gehst, desto breiter und leichter begehbar wird er.
Genau das geschieht bei Sorgen: Es entstehen regelrechte neuronale „Sorgen-Autobahnen“. Schon bei leichter Unsicherheit oder Stress aktiviert dein Gehirn automatisch diese vertrauten Sorgen-Pfade – und das Gedankenkarussell beginnt erneut.
Sorgenmodus vs. konstruktives Denken:
Der entscheidende Unterschied
Wo genau liegt der Unterschied zwischen Sorgen und einem sinnvollen, wichtigen Nachdenken über Risiken? Die Antwort findet sich in zwei unterschiedlichen neuronalen Modi:
Was kannst du tun, um aus dem Gedankenkarussell auszusteigen?
Die gute Nachricht: Dein Gehirn ist dein Leben lang lernfähig – man nennt das Neuroplastizität. Du kannst lernen, die automatischen Sorgen-Netzwerke zu schwächen und neue neuronale Bahnen gezielt aufzubauen.
Hier zwei neurobiologisch fundierte Strategien:
Sorgen bewusst unterbrechen
Sobald du merkst, dass du ins Grübeln gerätst, sage innerlich: „Stopp!“ und lenke deine Aufmerksamkeit sofort bewusst auf deinen Körper. Spüre beispielsweise für 30 Sekunden gezielt deine Füße oder atme langsam und bewusst aus.
👉 Damit aktivierst du andere neuronale Netzwerke und unterbrichst dein Sorgenmuster wirkungsvoll.
Alternative neuronale Wege bewusst aufbauen
Wähle kleine Übungen, die du täglich regelmäßig wiederholst – zum Beispiel kurze Achtsamkeitsmomente oder ein kleines Dankbarkeitsritual am Abend.
👉 Diese neuen positiven Erlebnisse aktivieren regelmäßig andere neuronale Verbindungen, die nach und nach zu starken und stabilen Bahnen werden.
Sorgen überwinden mit gezielter Selbstregulation
Sorgen sind nicht einfach nur negative Gedanken, sondern oft Ausdruck mangelnder emotionaler und kognitiver Selbstregulation. Eine nachhaltige Lösung liegt darin, Selbstregulation auf drei Ebenen zu lernen:
👉 Mehr über diese Kompetenzen findest du hier: Selbstregulation: Wie du deine Gedanken, Emotionen und deinen Körper steuerst
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Fazit: Dein Gehirn ist formbar – nutze es bewusst für weniger Sorgen
Sorgen und Grübeln sind kein Schicksal, sondern das Resultat gut trainierter neuronaler Netzwerke. Dein Gehirn folgt dabei einer klaren biologischen Logik: Je öfter du bestimmte Gedanken denkst, desto leichter aktiviert es diese Pfade – und desto schneller landest du im Gedankenkarussell.
Die gute Nachricht aber ist, dass dein Gehirn flexibel ist. Du kannst jederzeit lernen, andere, neue neuronale Wege bewusst aufzubauen und bestehende Sorgenmuster zu verändern.
Selbstregulation – besonders auf emotionaler Ebene – ist dafür dein stärkster Verbündeter. Jeder kleine, bewusste Schritt, jede kurze Achtsamkeitsübung und jede gezielte Unterbrechung des Sorgenmusters schafft neue, unterstützende Bahnen.
Nutze diese neurobiologische Fähigkeit bewusst für dich. Denn jede noch so kleine Veränderung in deinem Denken schafft langfristig mehr Ruhe, Klarheit und Stabilität in deinem Leben.

Marion Wandke
Seit über 15 Jahren beschäftige ich mich mit der Frage, wie Menschen in komplexen Lebensphasen innerlich klar und handlungsfähig bleiben können. Mich interessieren besonders die Wechselwirkungen zwischen Denken, Fühlen und Körperwahrnehmung – dort, wo Selbstregulation gefordert ist.
Ich arbeite heute als Resilienz-Coachin mit Fokus auf humanistischer Psychologie und Psychotherapie, Neurowissenschaften und Embodiment. Mein Schwerpunkt liegt auf Selbstführung und Selbstregulation als Schlüsselkompetenz. Ich bin überzeugt, dass echte innere Stärke aus Klarheit, Werteorientierung und Selbstführung entsteht.