Dieser Text stammt aus meinem Newsletter, in dem ich regelmäßig über Resilienz, innere Stärke und Persönlichkeitsentwicklung schreibe. Manche dieser Texte sind so zeitlos, dass ich sie hier im Blog veröffentliche – für alle, die sich intensiver mit diesen Themen auseinandersetzen möchten.
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Wie bleibst du innerlich stabil, wenn das Außen gefühlt immer unsicherer wird?
Innere Stabilität ist kein Zufall – sondern eine Haltung. Drei Gedanken für innere Stabilität in unsicheren Zeiten.
Eigentlich wollte ich in diesem Newsletter über den schon lange angekündigten Selbststärke-Kompass schreiben. Aber ganz ehrlich? Mir schwirrt gerade der Kopf. Vielleicht geht es dir ähnlich.
Die Eskalation in der Geopolitik, der Klimawandel ist kaum mehr Thema. Wirtschaftliche Stabilität, innere Sicherheit, Migration, KI, Altersarmut, Mangel an bezahlbarem Wohnraum – diese Liste könnte ich noch beliebig verlängern.
Ich will mit diesem Text ganz sicher nicht den überall grassierenden Alarmismus schüren, sondern meine Gedanken mit dir teilen. Wie können wir es schaffen, nicht von der Dynamik dieser Zeiten mitgerissen zu werden, sondern klar und handlungsfähig zu bleiben?
Mir ist in den letzten Wochen besonders ein Muster in Gesprächen aufgefallen: Es scheint, als gäbe es zwei gegensätzliche Pole, wie Menschen mit dieser Unsicherheit umgehen.
Die einen sprechen gar nicht darüber. Sie machen Pläne für die nächsten 10 oder 15 Jahre, als wäre die Welt dann noch genauso wie heute. Sie halten an einem Bild fest, das Sicherheit vermittelt, weil es einfacher ist, nicht hinzusehen und mögliche negative Entwicklungen auszublenden.
Die anderen sind völlig absorbiert. Sie kommen von diesen Themen nicht mehr los, sehen überall Bedrohungen, reden über nichts anderes mehr – und verlieren nach und nach die Hoffnung.
Beides kann ich gut verstehen und ich habe auch immer mal wieder solche Gedanken. Aber beides führt nicht zu echter Stabilität.
Die Frage ist doch: Wie kann ein gesunder, handlungsfähiger Umgang mit Unsicherheit aussehen?
Genau diese Frage beschäftigt mich nicht nur persönlich, sondern auch in meiner Arbeit. Ich möchte hier drei Ansätze teilen, die sich in der Resilienzforschung als besonders wertvoll erwiesen haben.
1. Viktor Frankl: Die letzte Freiheit des Menschen
Viktor Frankl war Neurologe und Psychiater – und der einzige aus seiner Familie, der die Konzentrationslager der Nationalsozialisten überlebte. Seine Eltern, sein Bruder und seine schwangere Frau wurden ermordet. Er selbst durchlief mehrere Lager, darunter Auschwitz und Dachau, und war über Jahre hinweg dem völligen Verlust von Menschlichkeit ausgesetzt.
Doch genau dort, in dieser extremen Situation, machte er eine tiefe Beobachtungen über den Menschen:
„Alles kann einem Menschen genommen werden, außer einer Sache: die letzte der menschlichen Freiheiten – seine Haltung zu den Dingen.“
Frankl sah, dass nicht die äußeren Umstände allein darüber entschieden, ob jemand innerlich zerbrach oder nicht. Er erkannte, dass diejenigen, die einen tiefen Sinn in ihrem Leben sahen – selbst unter unmenschlichsten Bedingungen – eine größere Chance hatten, ihre Würde und Hoffnung zu bewahren.
Was hielt ihn selbst am Leben?
Frankl entwickelte eine innere Haltung, die ihm half, nicht in Verzweiflung zu versinken:
- Er stellte sich intensiv vor, wie er nach seiner Befreiung als Therapeut vor einem Publikum stand und über das sprach, was er gerade erlebte – mit dem Ziel, anderen Menschen zu helfen.
- Er klammerte sich an kleine, innerlich erlebbare Momente der Menschlichkeit, etwa ein aufmunterndes Wort oder eine freundliche Geste unter Mithäftlingen.
- Er erkannte, dass ihm die Nationalsozialisten alles nehmen konnten – außer die Entscheidung, wie er innerlich auf das reagiert, was mit ihm geschieht.
Nach seiner Befreiung schrieb er sein weltberühmtes Buch „…trotzdem Ja zum Leben sagen“, in dem er seine Erkenntnisse festhielt. Darin entwickelte er die Logotherapie, eine Form der existenzanalytischen Psychotherapie, die bis heute relevant ist.
Die zentrale Idee: Der Mensch kann nicht immer kontrollieren, was ihm passiert – aber er kann immer eine Haltung dazu wählen. Sinn kann sogar im tiefsten Leid gefunden werden, wenn man sich bewusst entscheidet, für etwas zu leben, das über einen selbst hinausgeht.
Frankls Ansatz ist heute aktueller denn je. In einer Welt voller Unsicherheiten stellt sich die Frage: Was gibt uns inneren Halt, wenn das Außen immer unberechenbarer wird? Welche Werte und Sinnquellen tragen uns, wenn wir nicht wissen, was kommt?
2. Akzeptanz ist nicht Resignation – sondern die Basis für sinnvolles Handeln
Die Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT) ist ein moderner, evidenzbasierter Ansatz, der zunehmend auch im Coaching an Bedeutung gewinnt.
Ihr Kern: Nicht der Kampf gegen unangenehme Gefühle oder Gedanken macht uns frei, sondern die bewusste Entscheidung, mit dem umzugehen, was ist – und unser Leben aktiv nach unseren Werten auszurichten.
ACT basiert auf zwei zentralen Prinzipien:
- Akzeptanz als bewusste Haltung:
Anstatt gegen unvermeidbare Unsicherheiten oder belastende Emotionen anzukämpfen, lernen wir, sie bewusst anzunehmen. Nicht im Sinne eines „sich Abfindens“, sondern als einen aktiven Prozess: Ich erkenne an, dass bestimmte Dinge außerhalb meiner Kontrolle liegen – und höre auf, meine Energie in den Widerstand gegen Unveränderbares zu stecken. - Commitment – Handeln trotz Unsicherheit:
Anstatt darauf zu warten, dass sich alle Zweifel oder Ängste auflösen, richten wir unser Handeln an dem aus, was uns wirklich wichtig ist. Auch wenn Unsicherheit bleibt, können wir bewusst Entscheidungen treffen und uns dem zuwenden, was für uns von Bedeutung ist.
Warum ist das so kraftvoll?
Weil es einen fundamentalen Perspektivwechsel ermöglicht: Wir müssen nicht erst unsere Ängste überwinden, um zu handeln – sondern wir können handeln, während Ängste und Unsicherheiten da sind.
ACT im Coaching-Kontext – warum gewinnt es an Bedeutung?
Gerade im Coaching wird ACT immer relevanter, weil es Menschen hilft, sich nicht in Grübeleien oder Widerständen zu verstricken, sondern trotz Unsicherheiten in Bewegung zu kommen.
- Statt Perfektionismus: Mut zur Unvollkommenheit → Menschen warten oft, bis „der richtige Moment“ da ist. ACT zeigt, dass Veränderung nicht das Ergebnis vollständiger Klarheit ist, sondern durch Handeln entsteht.
- Statt Vermeidung: Bewusstes Zulassen → Wer ständig unangenehme Emotionen oder Situationen vermeidet, verkleinert sein Leben. ACT hilft, sich mit Unsicherheit und emotionaler Unbequemlichkeit anzufreunden, anstatt sich davon lähmen zu lassen.
- Statt Fremdbestimmung: Werteorientierte Entscheidungen → Viele Menschen stecken in Mustern, die nicht mehr zu ihnen passen. ACT fragt: Was ist dir wirklich wichtig? und hilft, das eigene Handeln konsequent an diesen Werten auszurichten.
Im Kern lehrt ACT etwas, das in einer Welt voller Unsicherheit essenziell ist: Stabilität kommt nicht von äußeren Umständen, sondern von der Fähigkeit, flexibel mit Veränderungen umzugehen – ohne sich selbst zu verlieren.
3. Ambiguitätstoleranz – Wie wir es lernen können, Unsicherheiten auszuhalten
Ein dritter wesentlicher Punkt aus der Resilienzforschung ist die Fähigkeit zur Ambiguitätstoleranz. Sie beschreibt die Kompetenz, Widersprüchlichkeiten, Unklarheiten und Unsicherheiten auszuhalten, ohne sie vorschnell auflösen zu müssen.
Unser Gehirn liebt einfache Erklärungen und eindeutige Antworten. Doch die Welt ist selten schwarz oder weiß – oft existieren verschiedene Wahrheiten nebeneinander. Ambiguitätstoleranz bedeutet, dass wir in dieser Vielschichtigkeit beweglich bleiben, ohne uns von Unsicherheit überwältigen zu lassen.
Menschen mit hoher Ambiguitätstoleranz können:
- Ungewissheit als Teil des Lebens akzeptieren, ohne in Angst oder Resignation zu verfallen.
- Widersprüchliche Informationen nebeneinander stehen lassen, anstatt eine vorschnelle Meinung zu bilden.
- Flexibel auf neue Entwicklungen reagieren, ohne in starre Denkmuster zurückzufallen.
Und genau darum geht es in meinem aktuellen Blogartikel. Dort beschreibe ich, warum Unsicherheit uns neurobiologisch so fordert und welche konkreten Strategien helfen, innere Stabilität in unruhigen Zeiten aufzubauen. 👉 Hier kannst du ihn lesen.
Ein inhaltlich langer Newsletter – weil mich dieses Thema als Mensch bewegt
Das war heute ein langer, inhaltlicher Newsletter. Aber das liegt daran, dass mich dieses Thema nicht nur beruflich, sondern auch persönlich sehr bewegt.
Die Frage, wie wir in einer unsicheren Welt stabil bleiben, ist keine theoretische. Sie betrifft uns alle – in unseren Entscheidungen, in unserem Alltag, in unserer Art zu leben.
Deshalb werde ich in den nächsten Wochen noch zur Logotherapie von Viktor Frankl und über ACT (Akzeptanz & Commitment) zwei ausführliche Blogartikel schreiben.
Mich interessiert: Welche dieser Gedanken bewegen dich am meisten? Erkennst du dich in einer der beschriebenen Dynamiken wieder?
Schreib mir gerne, ich freue mich auf den Austausch. ♥️

Marion Wandke
Ich bin Resilienz-Coach, psychologische Beraterin und Expertin für Persönlichkeitsentwicklung mit Fokus auf humanistischer Psychologie und Neurowissenschaften.
Wenn du lernen möchtest, in schwierigen Lebenssituationen deine innere Stärke zu finden und gelassener mit Herausforderungen umzugehen, bist du hier genau richtig! Statt allgemeiner Tipps gebe ich dir praxisnahe Methoden an die Hand, die im Alltag wirklich funktionieren.