RES-008

Die­ser Text stammt aus mei­nem News­let­ter, in dem ich regel­mä­ßig über Resi­li­enz, innere Stärke und Persönlich­keits­entwicklung schreibe. Man­che die­ser Texte sind so zeit­los, dass ich sie hier im Blog ver­öf­fent­li­che – für alle, die sich inten­si­ver mit die­sen The­men aus­ein­an­der­set­zen möchten.

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Wie bleibst du inner­lich sta­bil, wenn das Außen gefühlt immer unsi­che­rer wird?

Innere Sta­bi­li­tät ist kein Zufall – son­dern eine Hal­tung. Drei Gedan­ken für innere Sta­bi­li­tät in unsi­che­ren Zeiten.

Eigent­lich wollte ich in die­sem News­let­ter über den schon lange ange­kün­dig­ten Selbst­stärke-Kom­pass schrei­ben. Aber ganz ehr­lich? Mir schwirrt gerade der Kopf. Viel­leicht geht es dir ähn­lich.

Die Eska­la­tion in der Geo­po­li­tik, der Kli­ma­wan­del ist kaum mehr Thema. Wirt­schaft­li­che Sta­bi­li­tät, innere Sicher­heit, Migra­tion, KI, Alters­ar­mut, Man­gel an bezahl­ba­rem Wohn­raum – diese Liste könnte ich noch belie­big ver­län­gern.

Ich will mit die­sem Text ganz sicher nicht den über­all gras­sie­ren­den Alar­mis­mus schü­ren, son­dern meine Gedan­ken mit dir tei­len. Wie kön­nen wir es schaf­fen, nicht von der Dyna­mik die­ser Zei­ten mit­ge­ris­sen zu wer­den, son­dern klar und hand­lungs­fä­hig zu blei­ben?

Mir ist in den letz­ten Wochen beson­ders ein Mus­ter in Gesprä­chen auf­ge­fal­len: Es scheint, als gäbe es zwei gegen­sätz­li­che Pole, wie Men­schen mit die­ser Unsi­cher­heit umge­hen.

Die einen spre­chen gar nicht dar­über. Sie machen Pläne für die nächs­ten 10 oder 15 Jahre, als wäre die Welt dann noch genauso wie heute. Sie hal­ten an einem Bild fest, das Sicher­heit ver­mit­telt, weil es ein­fa­cher ist, nicht hin­zu­se­hen und mög­li­che nega­tive Ent­wick­lun­gen aus­zu­blen­den.

Die ande­ren sind völ­lig absor­biert. Sie kom­men von die­sen The­men nicht mehr los, sehen über­all Bedro­hun­gen, reden über nichts ande­res mehr – und ver­lie­ren nach und nach die Hoff­nung.

Bei­des kann ich gut ver­ste­hen und ich habe auch immer mal wie­der sol­che  Gedan­ken. Aber bei­des führt nicht zu ech­ter Stabilität.

  • Icon Marion Wandke

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Die Frage ist doch: Wie kann ein gesun­der, hand­lungs­fä­hi­ger Umgang mit Unsi­cher­heit aussehen?

Genau diese Frage beschäf­tigt mich nicht nur per­sön­lich, son­dern auch in mei­ner Arbeit. Ich möchte hier drei Ansätze tei­len, die sich in der Resi­li­enz­for­schung als beson­ders wert­voll erwie­sen haben.


1. Vik­tor Frankl: Die letzte Frei­heit des Menschen

Vik­tor Frankl war Neu­ro­loge und Psych­ia­ter – und der ein­zige aus sei­ner Fami­lie, der die Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger der Natio­nal­so­zia­lis­ten über­lebte. Seine Eltern, sein Bru­der und seine schwan­gere Frau wur­den ermor­det. Er selbst durch­lief meh­rere Lager, dar­un­ter Ausch­witz und Dachau, und war über Jahre hin­weg dem völ­li­gen Ver­lust von Mensch­lich­keit ausgesetzt.

Doch genau dort, in die­ser extre­men Situa­tion, machte er eine tiefe Beob­ach­tun­gen über den Menschen:

Alles kann einem Men­schen genom­men wer­den, außer einer Sache: die letzte der mensch­li­chen Frei­hei­ten – seine Hal­tung zu den Dingen.“

Frankl sah, dass nicht die äuße­ren Umstände allein dar­über ent­schie­den, ob jemand inner­lich zer­brach oder nicht. Er erkannte, dass die­je­ni­gen, die einen tie­fen Sinn in ihrem Leben sahen – selbst unter unmensch­lichs­ten Bedin­gun­gen – eine grö­ßere Chance hat­ten, ihre Würde und Hoff­nung zu bewahren.

Was hielt ihn selbst am Leben?

Frankl ent­wi­ckelte eine innere Hal­tung, die ihm half, nicht in Ver­zweif­lung zu versinken:

  • Er stellte sich inten­siv vor, wie er nach sei­ner Befrei­ung als The­ra­peut vor einem Publi­kum stand und über das sprach, was er gerade erlebte – mit dem Ziel, ande­ren Men­schen zu helfen.
  • Er klam­merte sich an kleine, inner­lich erleb­bare Momente der Mensch­lich­keit, etwa ein auf­mun­tern­des Wort oder eine freund­li­che Geste unter Mithäftlingen.
  • Er erkannte, dass ihm die Natio­nal­so­zia­lis­ten alles neh­men konn­ten – außer die Ent­schei­dung, wie er inner­lich auf das reagiert, was mit ihm geschieht.

Nach sei­ner Befrei­ung schrieb er sein welt­be­rühm­tes Buch „…trotz­dem Ja zum Leben sagen“, in dem er seine Erkennt­nisse fest­hielt. Darin ent­wi­ckelte er die Logo­the­ra­pie, eine Form der exis­tenz­ana­ly­ti­schen Psy­cho­the­ra­pie, die bis heute rele­vant ist.

Die zen­trale Idee: Der Mensch kann nicht immer kon­trol­lie­ren, was ihm pas­siert – aber er kann immer eine Hal­tung dazu wäh­len. Sinn kann sogar im tiefs­ten Leid gefun­den wer­den, wenn man sich bewusst ent­schei­det, für etwas zu leben, das über einen selbst hin­aus­geht.

Fran­kls Ansatz ist heute aktu­el­ler denn je. In einer Welt vol­ler Unsi­cher­hei­ten stellt sich die Frage: Was gibt uns inne­ren Halt, wenn das Außen immer unbe­re­chen­ba­rer wird? Wel­che Werte und Sinn­quel­len tra­gen uns, wenn wir nicht wis­sen, was kommt?


2. Akzep­tanz ist nicht Resi­gna­tion – son­dern die Basis für sinn­vol­les Handeln

Die Akzep­tanz- und Com­mit­ment-The­ra­pie (ACT) ist ein moder­ner, evi­denz­ba­sier­ter Ansatz, der zuneh­mend auch im Coa­ching an Bedeu­tung gewinnt.

Ihr Kern: Nicht der Kampf gegen unan­ge­nehme Gefühle oder Gedan­ken macht uns frei, son­dern die bewusste Ent­schei­dung, mit dem umzu­ge­hen, was ist – und unser Leben aktiv nach unse­ren Wer­ten auszurichten.

ACT basiert auf zwei zen­tra­len Prinzipien:

  1. Akzep­tanz als bewusste Hal­tung:
    Anstatt gegen unver­meid­bare Unsi­cher­hei­ten oder belas­tende Emo­tio­nen anzu­kämp­fen, ler­nen wir, sie bewusst anzu­neh­men. Nicht im Sinne eines sich Abfin­dens“, son­dern als einen akti­ven Pro­zess: Ich erkenne an, dass bestimmte Dinge außer­halb mei­ner Kon­trolle lie­gen – und höre auf, meine Ener­gie in den Wider­stand gegen Unver­än­der­ba­res zu stecken.
  2. Com­mit­ment – Han­deln trotz Unsi­cher­heit:
    Anstatt dar­auf zu war­ten, dass sich alle Zwei­fel oder Ängste auf­lö­sen, rich­ten wir unser Han­deln an dem aus, was uns wirk­lich wich­tig ist. Auch wenn Unsi­cher­heit bleibt, kön­nen wir bewusst Ent­schei­dun­gen tref­fen und uns dem zuwen­den, was für uns von Bedeu­tung ist.

Warum ist das so kraftvoll?

Weil es einen fun­da­men­ta­len Per­spek­tiv­wech­sel ermög­licht: Wir müs­sen nicht erst unsere Ängste über­win­den, um zu han­deln – son­dern wir kön­nen han­deln, wäh­rend Ängste und Unsi­cher­hei­ten da sind.

ACT im Coa­ching-Kon­text – warum gewinnt es an Bedeutung?

Gerade im Coa­ching wird ACT immer rele­van­ter, weil es Men­schen hilft, sich nicht in Grü­be­leien oder Wider­stän­den zu ver­stri­cken, son­dern trotz Unsi­cher­hei­ten in Bewe­gung zu kommen.

  • Statt Per­fek­tio­nis­mus: Mut zur Unvoll­kom­men­heit → Men­schen war­ten oft, bis der rich­tige Moment“ da ist. ACT zeigt, dass Ver­än­de­rung nicht das Ergeb­nis voll­stän­di­ger Klar­heit ist, son­dern durch Han­deln entsteht.
  • Statt Ver­mei­dung: Bewuss­tes Zulas­sen → Wer stän­dig unan­ge­nehme Emo­tio­nen oder Situa­tio­nen ver­mei­det, ver­klei­nert sein Leben. ACT hilft, sich mit Unsi­cher­heit und emo­tio­na­ler Unbe­quem­lich­keit anzu­freun­den, anstatt sich davon läh­men zu lassen.
  • Statt Fremd­be­stim­mung: Wer­te­ori­en­tierte Ent­schei­dun­gen → Viele Men­schen ste­cken in Mus­tern, die nicht mehr zu ihnen pas­sen. ACT fragt: Was ist dir wirk­lich wich­tig? und hilft, das eigene Han­deln kon­se­quent an die­sen Wer­ten auszurichten.

Im Kern lehrt ACT etwas, das in einer Welt vol­ler Unsi­cher­heit essen­zi­ell ist: Sta­bi­li­tät kommt nicht von äuße­ren Umstän­den, son­dern von der Fähig­keit, fle­xi­bel mit Ver­än­de­run­gen umzu­ge­hen – ohne sich selbst zu verlieren.


3. Ambi­gui­täts­to­le­ranz – Wie wir es ler­nen kön­nen, Unsi­cher­hei­ten auszuhalten

Ein drit­ter wesent­li­cher Punkt aus der Resi­li­enz­for­schung ist die Fähig­keit zur Ambi­gui­täts­to­le­ranz. Sie beschreibt die Kom­pe­tenz, Wider­sprüch­lich­kei­ten, Unklar­hei­ten und Unsi­cher­hei­ten aus­zu­hal­ten, ohne sie vor­schnell auf­lö­sen zu müssen.

Unser Gehirn liebt ein­fa­che Erklä­run­gen und ein­deu­tige Ant­wor­ten. Doch die Welt ist sel­ten schwarz oder weiß – oft exis­tie­ren ver­schie­dene Wahr­hei­ten neben­ein­an­der. Ambi­gui­täts­to­le­ranz bedeu­tet, dass wir in die­ser Viel­schich­tig­keit beweg­lich blei­ben, ohne uns von Unsi­cher­heit über­wäl­ti­gen zu lassen.

Men­schen mit hoher Ambi­gui­täts­to­le­ranz können:

  • Unge­wiss­heit als Teil des Lebens akzep­tie­ren, ohne in Angst oder Resi­gna­tion zu verfallen.
  • Wider­sprüch­li­che Infor­ma­tio­nen neben­ein­an­der ste­hen las­sen, anstatt eine vor­schnelle Mei­nung zu bilden.
  • Fle­xi­bel auf neue Ent­wick­lun­gen reagie­ren, ohne in starre Denk­mus­ter zurückzufallen.

Und genau darum geht es in mei­nem aktu­el­len Blog­ar­ti­kel. Dort beschreibe ich, warum Unsi­cher­heit uns neu­ro­bio­lo­gisch so for­dert und wel­che kon­kre­ten Stra­te­gien hel­fen, innere Sta­bi­li­tät in unru­hi­gen Zei­ten auf­zu­bauen. 👉 Hier kannst du ihn lesen.


Ein inhalt­lich lan­ger News­let­ter – weil mich die­ses Thema als Mensch bewegt

Das war heute ein lan­ger, inhalt­li­cher News­let­ter. Aber das liegt daran, dass mich die­ses Thema nicht nur beruf­lich, son­dern auch per­sön­lich sehr bewegt.

Die Frage, wie wir in einer unsi­che­ren Welt sta­bil blei­ben, ist keine theo­re­ti­sche. Sie betrifft uns alle – in unse­ren Ent­schei­dun­gen, in unse­rem All­tag, in unse­rer Art zu leben.

Des­halb werde ich in den nächs­ten Wochen noch zur Logo­the­ra­pie von Vik­tor Frankl und über ACT (Akzep­tanz & Com­mit­ment) zwei aus­führ­li­che Blog­ar­ti­kel schreiben.

Mich inter­es­siert: Wel­che die­ser Gedan­ken bewe­gen dich am meis­ten? Erkennst du dich in einer der beschrie­be­nen Dyna­mi­ken wieder?

Schreib mir gerne, ich freue mich auf den Aus­tausch. ♥️

Portrait Marion Wandke

Marion Wandke

Ich bin Resilienz-Coach, psychologische Beraterin und Expertin für Persönlichkeits­entwicklung mit Fokus auf humanistischer Psychologie und Neurowissenschaften.
Wenn du lernen möchtest, in schwierigen Lebens­situationen deine innere Stärke zu finden und gelassener mit Heraus­forderungen umzugehen, bist du hier genau richtig! Statt allgemeiner Tipps gebe ich dir praxisnahe Methoden an die Hand, die im Alltag wirklich funktionieren.

Mehr über mich und meine Arbeit findest du auf meiner “Über-mich”-Seite.